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000
03.02.2009, 20:22 Uhr
0xdeadbeef
Gott
(Operator)


Moin,

Aaalso, das hat ja nun letztens ne Weile geköchelt und kocht jetzt langsam hoch - vom Titel möglicherweise schon erratbar, ich meine den ganzen Firlefanz um den Papst und diese Piusbruderschaft (von der ich vorher, so muss ich zu meiner Schande gestehen, noch nie etwas gehört hatte).

Jetzt mal unabhängig davon, dass das Verhalten der Piusbruderschaft natürlich völlig inakzeptabel ist, und mal abgesehen davon, dass ich als Atheist ihre gesamte Grundlage für denkbar albern halte, ich denke, dass diese Affäre eine grundlegende praktische Problematik katholischen Dogmas offenbart - den Anspruch der Unfehlbarkeit des Papstes.

Es ist ja nun glücklicherweise zumindest in Europa nicht mehr so, dass der Vatikan (oder irgendeine andere Institution) sich als moralisch definierend hinstellen kann; der Papst muss sich und seine Quasi-Politik rechtfertigen. Das wäre für jeden anderen kein großes Problem - es ist nicht davon auszugehen, dass ihm viel an Holocaustleugnern und Islamfeinden liegt, und ich vermute, dass ihm die Problematik vorher nicht bewusst war und er dementsprechend von der ganzen Geschichte ziemlich überrascht wurde; der vernünftige Weg wäre, halt wieder auf Abstand zu gehen, den Irrtum einzugestehen und sich zu entschuldigen - eine Fehleinschätzung ist ja nicht unverzeihlich.

Nur ist er ja der Papst, und der Papst ist angeblich unfehlbar . Er kann einen Irrtum nicht eingestehen, und so sitzt er in der Zwickmühle. Unfehlbarkeit, so scheint es, ist ein ausgesprochen unpraktisches Dogma, wenn es nicht universell akzeptiert wird.

Ich dachte, ich stell das mal so als Diskussionsanstoß in den Raum. Ist meine Einschätzung vernünftig?
--
Einfachheit ist Voraussetzung für Zuverlässigkeit.
-- Edsger Wybe Dijkstra
 
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001
03.02.2009, 23:17 Uhr
ao

(Operator)


Auch ein Papst kann falsch abbiegen oder sich am Telefon verwählen ...

Unfehlbar ist er angeblich dann, wenn er Glaubenssätze verkündet, Näheres hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Unfehlbarkeit

Wie auch immer, ich glaube nicht, dass das alles ein Irrtum war. Natürlich wusste der Papst, was diese Piusbrüder für Typen sind, reaktionär, antisemitisch, anti-ökumenisch, das haben die nie verheimlicht, da sind die stolz drauf. Diese vier Bischöfe zu ent-exkommunizieren passt genau in eine Reihe anderer Aktionen: Die Wiederzulassung der alten lateinischen Messe 2007, diese seltsame Karfreitags-Fürbitte von 2008, das war alles schon sehr im Sinne der Piusbrüder, und jetzt gehts eigentlich nur logisch weiter.

Das Williamson-Interview hat ordentlich für Wirbel gesorgt, vermutlich hatten die Jungs im Vatikan das tatsächlich übersehen. Wäre das nicht aufgetaucht, dann wäre die Ent-Exkommunikation ziemlich glatt über die Bühne gegangen, und die einzigen, die protestiert hätten, wären ein paar Grüppchen vom linkskatholischen Rand gewesen, "Wir sind Kirche", "Kirche von unten" "Homos und Kirche" und was es da so gibt. Aber die Holocaust-Leugnung hat die Leute aufgescheucht, und jetzt protestiert alles, was Rang und Namen hat.

Ich fürchte nur, bei den meisten Prominenten ist es nur kurzes Geschrei.


Zitat:
der Papst muss sich und seine Quasi-Politik rechtfertigen


Das tut er nicht, jedenfalls nicht so, dass das nach allgemeinen Standards als Rechtfertigung durchgeht. Diese Piusbrüder-Aktion gilt offiziell als "Akt der väterlichen Barmherzigkeit" und der Versöhnung, mit der man ja als braver Christ ja schon mal grundsätzlich einverstanden ist. Das ist der Zucker, der draufgestreut wird, damit die Katholiken die Kröte besser schlucken. Und was die anderen davon halten, spielt eh keine Rolle.

Dieser Post wurde am 03.02.2009 um 23:24 Uhr von ao editiert.
 
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002
03.02.2009, 23:22 Uhr
Pablo
Supertux
(Operator)


Als Atheist weiß man ja sowieso, dass die Reliogionanhänger (damit meine ich nicht das "einfache" Volk sondern Leute mit viel religiöser und zugleich politischer Macht wie der Papst eben) Spinner sind.

Die ganzen Vorkommnisse zeigen: die monotheistischen Religionen mit ihren Ansprüchen sind nichts anders als Theater, es geht um Macht und nicht ums Wohl der Gemeinde. Vor kurzen habe ich irgendwo einen sehr interessanten Satz gelesen (weiß leider nicht mehr, wie der genau lautet noch woher ich das gelesen habe): In einer Welt ohne Religionen würden Menschen böses und ebenso gutes tun. Aber nur in einer Welt mit Reliogionen tut man Böses weil es angeblich gut ist.

Ich finde es einfach lächerlich, dass Menschen sich so deart bekämpfen, nur weil man an andere Sachen glaubt, von denen man nicht einmal 100% sicher sein kann, dass es sie gibt. Jeder denkt, dass man nur alleine im Recht ist und alle andere falsch sind und so versuche ich Euch meine Denkweise aufzudrücken bin leider nur ein Mensch, aber einer, der keinen anderen bekämpfen und/oder sogar töten würden, nur weil der andere nicht mit mir übereinstimmt.
--
A! Elbereth Gilthoniel!
silivren penna míriel
o menel aglar elenath,
Gilthoniel, A! Elbereth!

Dieser Post wurde am 03.02.2009 um 23:24 Uhr von Pablo editiert.
 
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003
03.02.2009, 23:32 Uhr
0xdeadbeef
Gott
(Operator)


Die seltsame Karfreitagsfürbitte ist wohl an mir vorbeigegangen (ich höre in der Regel nicht besonders auf das, was der Papst macht), kannst du vielleicht kurz rekapitulieren, was er da gesagt hat?

Zur Unfehlbarkeit: Er muss also deklarieren, dass er unfehlbar spricht? Spaßig, zumal das laut des Wikipedia-Artikels bisher nur zweimal passiert ist und in beiden Fällen ausgemachter Unsinn proklamiert wurde... Na gut, aber warum sagt er dann nicht einfach "Ups, das haben wir wohl übersehen. 'Tschuldigung." und nimmt den Kram zurück?

Was die Rechtfertigungsgeschichte angeht, er tut es nicht, das ist richtig. Er muss es aber tun, wenn er als irgendeine Form moralischer Instanz wahrgenommen werden will, und das ist ja nach wie vor sein Anspruch. Jetzt kann man (und würde ich) natürlich argumentieren, dass dieser Anspruch durch diverse Laster und gefährliche Lehrsätze des Vatikans schon lange verloren gegangen ist, aber diese Geschichte dürfte selbst denjenigen, die die Verteufelung von Kondomen im AIDS-geplagten Afrika für eine gottesgefällige Sache halten, schwer schmackhaft zu machen sein.

@Pablo: Du zitierst Steven Weinberg: "Good people will do good things, and bad people will do bad things. But for good people to do bad things -- that takes religion."

Hundertprozentig sicher sein kann man sich indes nie, aber ein paar Belege wären schon wünschenswert.
--
Einfachheit ist Voraussetzung für Zuverlässigkeit.
-- Edsger Wybe Dijkstra

Dieser Post wurde am 03.02.2009 um 23:34 Uhr von 0xdeadbeef editiert.
 
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004
03.02.2009, 23:46 Uhr
ao

(Operator)


Karfreitag: In der Karfreitagsmesse wird u.a. für die Juden gebetet. Seit 1970 (Folge vom Zweiten Konzil) ist der Text der Fürbitte durchaus freundlich, bis dahin war von "treulosen" und verblendeten Juden die Rede, die "unsern Herrn Jesus erkennen" mögen - sie sollen also katholisch werden. Benedikt 16 hat 2008 eine Fassung verabschiedet, die wieder in diese Bekehrungs-Richtung geht, auch wenn er die Beschimpfungen diesmal weggelassen hat. http://de.wikipedia.org/wiki/Karfreitagsfürbitte_für_die_Juden


Zitat:
Er muss also deklarieren, dass er unfehlbar spricht?


So ungefähr:

C++:
#pragma infallible {
  /* compiler will say Amen to everything between these brackets */
  /* pope's speech goes here */
}




Zitat:
aber diese Geschichte dürfte selbst denjenigen ... schwer schmackhaft zu machen sein.

Das wird aber keinen wirklich jucken. In ein paar Wochen ist da Gras drüber gewachsen, und so lange muss man eben aushalten. :$

Dieser Post wurde am 04.02.2009 um 08:34 Uhr von ao editiert.
 
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005
03.02.2009, 23:55 Uhr
0xdeadbeef
Gott
(Operator)


Naja, das passt irgendwie zum Ratzinger. Ich erinnere mich so vage an die Erklärung Dominus Iesus, die der damalige Kardinal herausgab, in der im Grunde drinstand "Wir wissen's besser als ihr. Nanananana," wenn auch anders (und länger) formuliert. Eine Begründung des Anspruchs oder gar überzeugende Argumente blieb er allerdings auch damals schuldig.

Ich kann nur hoffen, dass über diese Sache so schnell kein Gras wächst, auch wenn mir mein Zynismus sagt, dass es wohl so sein wird.
--
Einfachheit ist Voraussetzung für Zuverlässigkeit.
-- Edsger Wybe Dijkstra
 
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006
04.02.2009, 01:14 Uhr
Pablo
Supertux
(Operator)



Zitat von 0xdeadbeef:


@Pablo: Du zitierst Steven Weinberg: "Good people will do good things, and bad people will do bad things. But for good people to do bad things -- that takes religion."


genau den meinte ich
--
A! Elbereth Gilthoniel!
silivren penna míriel
o menel aglar elenath,
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007
04.02.2009, 07:53 Uhr
Guybrush Threepwood
Gefürchteter Pirat
(Operator)



Zitat von Pablo:
Als Atheist weiß man ja sowieso, dass die Reliogionanhänger (damit meine ich nicht das "einfache" Volk sondern Leute mit viel religiöser und zugleich politischer Macht wie der Papst eben) Spinner sind.


Ohne irgendwie religiös veranlagt zu sein finde ich diese Aussage schon äußerst arrogant
 
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008
04.02.2009, 08:52 Uhr
ao

(Operator)


Na ja, wer an die Macht will, muss bereit sein, seine Ellbogen einzusetzen, das ist in religiösen Organisationen nicht grundsätzlich anders als in politischen oder wirtschaftlichen. Und wer die Spitze erreicht, wird da bestimmt nicht zum sanften Lämmchen. "Spinner" ist da wohl kein passender Begriff, ich würds mal "karrierebewusst" nennen.

Die Frage ist, ob es überhaupt sinnvoll für Religionsgemeinschaften ist, so eine personenbezogene hierarchische Ordnung zu haben. Ein Anführer oder eine Führungsclique mit weitreichender Macht ist fürs Tagesgeschäft gar nicht notwendig und schafft eigentlich nur Konfliktstoff. Pragmatisch und dezentral - ich glaube, damit wären die meisten besser dran.

Meine Güte, ich rede wie ein Protestant!

Dieser Post wurde am 04.02.2009 um 10:09 Uhr von ao editiert.
 
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009
04.02.2009, 13:07 Uhr
0xdeadbeef
Gott
(Operator)


Was die Spinnerei angeht...ich würde nicht so weit gehen, dass auf alle Religionsführer anzuwenden. Obgleich Religion ganz allgemein eine gewisse Leichtgläubigkeit erfordert, muss sich diese nicht auf alle Lebensbereiche erstrecken, und man muss nicht dumm sein, um leichtgläubig zu sein. Auch ist Religion keine Voraussetzung für Leichtgläubigkeit - ich habe Atheisten (im Sinne von nicht-an-Götter-glaubend) getroffen, die an Auren und vergleichbaren esoterischen Unsinn oder Verschwörungstheorien wie die gefälschte Mondlandung geglaubt haben.

Speziell dem Papst, jetzt ganz generell auf das Amt bezogen, passt der Schuh allerdings, weniger im Sinne von Verrücktheit als mehr im Sinne von Seemannsgarn - mit welcher Schamlosigkeit die Geschichte da on-the-fly erfunden wird, ist schon atemberaubend. Wenn nach dem Ableben im Vatikan beliebter Personen nach Wundertaten gesucht wird, die ihnen posthum zugesprochen werden können (Erscheinen auf Toastbrot, die Größenordnung), um sie heilig sprechen zu können...man mag davon halten was man will, aber ich halte das für Spinnerei im Wortsinn.

Ansonsten..."karrierebewusst"...heh. Schöner Euphemismus. Ein Sarkasmuspunkt an ao.

Die Frage, ob eine zentralistische Organisationsstruktur in einer Religionsgemeinschaft Sinn macht...jetzt unabhängig von der Frage der Sinnhaftigkeit einer Religionsgemeinschaft überhaupt, die zumindest zu erwähnen ich mir nicht verkneifen kann, das hängt davon ab, welchen Anspruch die Gemeinschaft erhebt. Besteht ein absoluter Wahrheitsanspruch, wie es in der katholischen Kirche (wie auch in vielen anderen Religionsgemeinschaften) traditionell ja der Fall ist, ist wohl zumindest der Anschein einer Quelle dieser Wahrheit von Nutzen. Für wen, das ist im Einzelfall eine andere Frage.

Jetzt gründen zum Beispiel die Protestanten diesen Anspruch auf die Bibel, aber wenn man nicht gerade sehr radikal sein will (vgl. "religious right" in Amerika), ist ein Buch, das in der Bronze- bis Eisenzeit von Leuten dieser Zeit für Leute dieser Zeit verfasst wurde, auf Dauer schwer als eine solche Quelle zu verteidigen - sprechende Esel und Wasser-zu-Wein-Wunder sind heutzutage nicht mehr sonderlich glaubwürdig, und die Archäologie spricht eine deutliche Sprache, was die historische Wahrhaftigkeit der...weniger fiktiv anmutenden Passagen angeht. Gleiches gilt natürlich auch für andere "heilige" Schriften. Eine etwas flexiblere "Quelle der Wahrheit" kann politisch je nach Umfeld also schon praktisch sein.

Wird dieser Anspruch dagegen nicht erhoben und die Religion quasi als eine Art mentaler Selbsthilfegruppe betrieben (wenn ich das mal so salopp ausdrücken darf), dann ist eine solche Instanz nicht vonnöten, nur stellt sich dann auch die Frage, wozu man die Religion eigentlich braucht. Eine Gemeinschaft lässt sich wunderbar auch säkular gründen.
--
Einfachheit ist Voraussetzung für Zuverlässigkeit.
-- Edsger Wybe Dijkstra

Dieser Post wurde am 04.02.2009 um 13:09 Uhr von 0xdeadbeef editiert.
 
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