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04.12.2007, 23:25 Uhr
0xdeadbeef
Gott (Operator)
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Zitat von Hans: |
Hi, Einverstanden. Ich bin bei meinen Erläuterungen von dem zitierten Herrn Sellars ausgegangen. Nach den Erläuterungen über Naturalismus in der Wikipedia vertritt dieser Herr eine spezielle Denkrichtung des Naturalismus, den man als Physikalismus bezeichnet.
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Ich bin jetzt mit Herrn Sellar nicht vertraut, also kann ich die Sinnhaftigkeit seiner Positionen nicht einschätzen. Was mich betrifft, so gehe ich in aller Regel davon aus, dass das Phänomen, dem ich begegne, sehr natürlich ist - in dem Sinne, dass es per definitionem natürlich ist, weil es ja in der Natur auftritt. Um zu beurteilen, ob tatsächlich alles natürlich ist, müsste mir erstmal jemand erklären, wie denn etwas sein müsste, um nicht physikalisch zu sein - Physik beschränkt sich ja nicht auf Materie oder so, sondern erforscht im Grunde alles, was im Universum so passiert. Oder auch in anderen Universen, wenn man denn solche irgendwann findet.
Zitat von Hans: |
Ich glaube, da bist Du selbst in einem Dogma gefangen, nämlich dem, das die Religion bestimmte Dinge für "unerklärbar deklariert" und sie deshalb "nicht weiter erforscht" werden dürfen. Dieses Dogma gehört nicht zum Wesen der Religion, sondern zum Wesen der Institutionen, die diese vertreten. Das ist in der Wissenschaft übrigens auch der Fall.
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Es fiele mir jetzt schwer, ein Beispiel für eine wissenschaftliche Organisation zu finden, die das nach der Ausräumung begründeten Zweifels lange überlebt hätte. Historisch ging der größte Widerstand für wissenschaftlichen Fortschritt in aller Regel eher von religiösen und/oder politischen Institutionen aus. Galileo und Kopernikus sind zwei gute Beispiele für ersteres, und die Evolutionstheorie für beides - der Adel ließ sich nicht gerne sagen, dass sein jahrhundertelanger Inzest biologisch nicht gerade von Vorteil war. Es stellt sich auch die Frage, ob so eine hypothetische Organisation überhaupt noch als wissenschaftlich zu bezeichnen wäre. Natürlich gibt es immer wieder abweichende Meinungen - die Relativitätstheorie zum Beispiel musste viele Tests unterlaufen, bis sie akzeptiert wurde, und Einstein zeigte sich später äußerst skeptisch der Quantentheorie gegenüber - aber nachdem sie intensiv getestet und überprüft wurden, wurden auch sehr radikale Theorien wie diese akzeptiert - weil sie halt funktionierten.
Es kommt wohl auch ein bisschen darauf an, was man als wissenschaftlich betrachtet. Ich für meinen Teil zum Beispiel würde leute wie Michael Behe nicht als Wissenschaftler bezeichnen, gerade weil sie sich auch im Angesicht überwältigender Beweise weigern, wissenschaftliche Erkenntnisse anzunehmen, und nachprüfbar falsche Dinge postulieren. (Darum ist Michael Behe in der wissenschaftlichen Welt auch eine Witzfigur)
Zitat von Hans: |
In einem der Bücher von N.D. Walsch wird erklärt, das eine an sich gute Idee sich auf Dauer schädlich auswirkt, sobald sie irgendwie Institutionalisiert wird. Das heisst, sobald sich irgendwelche Leute die Deutungshoheit anmassen, und alle anderen Ansichten und Deutungen mehr oder weniger bekämpfen. Denn dadurch geht im Laufe der Zeit der Sinn verloren, beziehungsweise der Zusammenhang, in dem die Idee entstand, gerät in Vergessenheit. Irgendwann, nach vielen Generationen, existiert dann unter Umständen nur noch die Überlieferung der Idee, und was daraus abgeleitet wurde, als sie entstand, aber es fehlt der Hintergrund, der zu der Idee führte.
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Hast du ein Beispiel dafür? So wie ich das einschätze, verlöre eine Organisation dadurch sehr schnell jegliche wissenschaftliche Glaubwürdigkeit; und eine Idee, deren Erklärung verlorengeht, scheint mir in der Wissenschaft auch schwer vorstellbar. Eher wird da nach weiteren Details geforscht, um die Erklärung zu erweitern - geht die Erklärung verloren, wird auf Dauer ein Mythos daraus.
Zitat von Hans: |
Nun hat sich um dieses Idee herum aber eine Institution gebildet die auch eine gewisse Macht ausübt. Und die ist dann genau das Problem. Denn die Institution will gerne weiter ihre Macht ausüben. Da die Idee aber in ihrer überlieferten Form nicht mehr oder nur noch begrenzt tragbar ist, muss sie neu überdacht werden. Das aber wiederum kann mit einem Machtverlust der Institution verbunden sein, weshalb diese gern verhindern würde, das die Idee neu überdacht wird. Und damit hätten wir genau einen Teil des Problems formal beschrieben, mit dem insbesondere die katholische Kirche heutzutage kämpft.
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Hm. Das könnte man wohl zum Beispiel auf Pharmaunternehmen beziehen, die kein Interesse an Forschung haben, die ihren Umsatz drücken könnte. Allerdings halte ich das nicht für einen Mangel der wissenschaftlichen Denkweise, sondern des umgebenden wirtschaftlichen Systems. Die Erklärung geht hier allerdings ebenfalls nicht verloren; Pharmaunternehmen wissen sehr wohl, wie und warum ihr Medikament funktioniert.
Zitat von Hans: |
Und, um noch mal auf das Übernatürliche zu kommen: Vielleicht ist es ja gar nicht so übernatürlich, wie wir derzeit glauben. Möglicherweise ist es völlig natürlich, aber wir sind als Spezies noch nicht so weit entwickelt, das wir das so erkennen können. Wenn dem so ist, finden wir garantiert irgendwann auch die Erklärungen dafür. (Ich muss sagen, die Idee gefällt mir ausgesprochen gut, obwohl sie mir erst in den Sinn kam, als ich das hier geschrieben habe.)
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Volle Zustimmung Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob wir als Spezies noch nicht so weit sind, oder ob schlicht und einfach die Forschung noch nicht so weit ist. Auch wichtig zu sehen ist, dass die Wissenschaft sich sehr wohl bewusst ist, dass ihre Erkenntnisse höchstwahrscheinlich temporärer Natur sind. Du wirst keinen ernstzunehmenden Wissenschaftler finden, der behauptet, die ganze Wahrheit über etwas zu kennen, so dass weitere Forschung unnötig sei. Eine solche Dogmatik ist höchst unwissenschaftlich.
Vielleicht findet die Wissenschaft irgendwann etwas, was man als "Gott" bezeichnen könnte. Aber dann würde sie nicht aufhören zu forschen, sondern versuchen, herauszufinden, was dieser Gott ist, wie er funktioniert, woher er kommt und so weiter. Bisher sieht es mit Hinweisen darauf allerdings ziemlich mau aus.
Zitat von Hans: |
Natürlich ist es gut, das die Neurologen rätseln, und einige andere Wissenschaftler rätseln mit ihnen. Der Fall, den ich meinte, wird auch im WikipediaArtikel über Nahtoderfahrung erwähnt, inclusive weiterer Quellen. Da wird auch auf einen Artikel in Telepolis verwiesen, der sehr interessant ist.
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Hm. Ich sehe in diesem Wikipedia-Artikel eigentlich nichts, was auf übernatürliche Phänomene hinweist. Jeder, der mal geträumt hat, kann erahnen, wie leicht das Gehirn zu täuschen ist, und erhöhter Hormonausschuss bei Gefahr scheint für den Körper eine evolutionstechnisch äußerst praktische Eigenschaft zu sein. Warten wir mal ab, was die Neurologen da rausfinden, aber für den Moment scheint es mir so, als könne man daraus ebensowenig die Existenz übernatürlicher Dinge oder eines Lebens nach dem Tod ableiten, wie man aus Halluzinationen die Existenz von Elfen ableiten kann. Es wäre vielleicht interessant zu wissen, ob die betroffenen Menschen da tendenziell eher Erfahrungen haben, die sich mit ihrem Glauben decken.
Zitat von Hans: |
Sonst könnte es passieren, das Geschichte zur Legende wird, Legende zum Mythos wird, und der Mythos plötzlich Realität...
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...wobei wohl in aller Regel eher Teile des Mythos bestätigt und von der imaginären Ausschmückung getrennt werden.
Zitat von Hans: |
Was die allgemeine menschliche/gesellschaftliche Entwicklung auf unserem Planeten angeht, so möchte in diesem Zusammenhang auch noch auf ein sehr interessantes Buch hinweisen. (...)
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Wenn ich dem mal irgendwo über den Weg laufe, werde ich das vielleicht mal tun. Du wirst mir allerdings verzeihen müssen, dass mein Interesse durch die Zusammenfassung in soweit gedämpft wird, als dass der Autor scheinbar von Prämissen ausgeht, die ich so nicht akzeptiere. In ähnlicher Weise waren Descartes Meditationen für mich keine wertvolle Lektüre, weil er gleich am Anfang einen überaus offensichtlichen Denkfehler macht, und der Rest des Buches dadurch in sich zusammenfällt. -- Einfachheit ist Voraussetzung für Zuverlässigkeit. -- Edsger Wybe Dijkstra Dieser Post wurde am 04.12.2007 um 23:28 Uhr von 0xdeadbeef editiert. |