035
02.09.2004, 16:03 Uhr
0xdeadbeef
Gott (Operator)
|
Was Amerika angeht - Amerika als Wirtschaftsmacht zu bezeichnen ist sowohl falsch als auch richtig, auf eine kranke Art und Weise.
Die USA selbst exportieren sehr, sehr wenig. Es wäre allein bei weitem nicht genug, ihnen eine dermaßen mächtige Stellung einzuräumen. Was die USA betreiben, ist eine Art Wirtschaftsfeudalismus - sie lassen ihre Stellung von anderen festigen, namentlich vor allem von der OPEC. Die OPEC stützt den wirtschaftlichen Status der USA dadurch, dass sie Öl - das wohl wichtigste Handelsgut der Welt - in Dollar rechnet. Deswegen haben die USA auch so eine Heidenangst vor dem Euro, der so ziemlich die einzige Währung ist, die dem Dollar diese Stellung abspenstig machen kann. Ich will das jetzt nicht überbewerten, aber ich denke, dass der Irakkrieg teilweise auch damit zusammenhängt, dass Saddam Hussein Ende 2000 beschlossen hat, sein Öl auch in Euro zu verkaufen - da werden im weißen Haus alle Alarmglocken geklingelt haben, denn sollte der Dollar seine Vormachtsstellung verlieren...naja, die USA wären richtig am Arsch, und für alle anderen Beteiligten ist es zumindest schwer abzusehen. Dazu ganz spannend zu lesen: www.uni-kassel.de/fb10/frieden/themen/oel/altvater.html
Was Hartz angeht - das ist wieder mal so eine Scheinreform. Indem man ein bisschen mit dem Arbeitslosengeld rumjongliert, kann man vielleicht ein bisschen Kohle einsparen, aber Arbeitsplätze schafft man auf die Art nicht. Das macht höchstens dann Sinn, wenn Arbeitsplätze und Arbeitslose vorhanden sind, aber keiner die Jobs will. Das eigentliche Problem wird damit aber nicht behandelt, und das liegt, wie meistens, in der Struktur, nicht in den Zahlen.
Nehmen wir zum Beispiel mal die Rentenreform - das ist zwar nicht direkt Hartz, zeigt aber deutlich, woran die Politik wirklich krankt - seit den 60er Jahren wissen die Leute, dass die Menschen immer älter werden und immer weniger Kinder kriegen. Vierzig Jahre lang zerreißen sie sich das Maul, jeder weiß, dass unter diesen Umständen ein Generationenvertrag nicht mehr durchzuhalten ist und man sich eigentlich mal ein anderes System ausdenken müsste, jeder weiß, dass es andere Systeme gibt, die auch funktionieren - schaut zum Beispiel nach Dänemark - aber das einzige, was sie auf die Reihe kriegen, ist ein bisschen mit Prozenten zu spielen. Mehr zahlen, weniger kriegen - und das nennt sich dann Reform.
Der andere große Faktor ist die Verfilzung des Rechtssystems. Besonders deutlich sieht man das am Steuerrecht - jeder, der mal verzweifelt vor einer Umsatzsteuervoranmeldung gesessen und sich gefragt hat, was zum Teufel denn jetzt Umsätze nach UStG §3 Abs. 1 sind, weiß, was ich meine - und jetzt stellt euch vor, ein großes Unternehmen steht vor der Entscheidung, sich entweder irgendwo nach Asien zu pflanzen oder ne deutsche Niederlassung aufzumachen - wo gehen die hin? Bestimmt nicht dahin, wo sie ein paar hundert Steueranwälte bezahlen müssen, die jeden Monat wieder penibel überprüfen, ob der riesige Wust von Finanzbeamten, die selbst nicht mehr durch die Verordnungen durchblicken und inzwischen jeden siebten Steuerbescheid falsch erstellen, auch alles richtig gemacht hat. Und wie sieht eine deutsche Steuerreform aus? Ein paar hundert neue Verordnungen, und danach ist es noch schlimmer als vorher.
Das Problem der deutschen Politik ist, dass sie jede Menge Verordnungen produziert, aber nicht bereit ist, welche zu entsorgen. Nehmen wir den Solidaritätszuschlag, der vor ca. 15 Jahren von Kohl als zeitweilige Maßnahme für den Aufbau Ost eingeführt wurde - den werden wir nie wieder los. Nicht, dass ich nicht bereit wäre, für den Aufbau Ost zu bezahlen, aber der Solidaritätszuschlag ist effektiv das selbe, als hätte man alle Steuern um 5,5% erhöht, nur dass es so schöner aussieht und es eine Möglichkeit mehr gibt, sich bei der Steuererklärung zu verrechnen. Wenn das Gesetz Sourcecode wäre, wäre inzwischen ein kompletter Rewrite fällig. -- Einfachheit ist Voraussetzung für Zuverlässigkeit. -- Edsger Wybe Dijkstra |