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10.02.2009, 02:25 Uhr
0xdeadbeef
Gott (Operator)
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Den Aufsatz von Charles Townes werde ich mir durchlesen, sobald ich eine Kopie davon auftreiben kann.
Zu Küng - der lehnt sich da aber ein bisschen sehr weit aus dem Fenster, macht ein paar fachliche Fehler, und spekuliert wild, aber nur in eine Richtung. Das kann ich auch.
Zunächst aber zu den fachlichen Fehlern - meinen Senf gebe ich gleich dazu:
Erstens ist keinesfalls sicher, dass die Naturkonstanten den Verlauf des Universums, wie wir ihn kennen, garantierten - es gibt keinen Grund, zum Beispiel anzunehmen, dass eine Milchstraße, Sonne, Erde und Menschen entstehen mussten, ganz im Gegenteil.
Zweitens wissen wir derzeit nicht, wie die Naturkonstanten zustandekamen, und ob sie tatsächlich von Anfang an existierten - mein laienhaftes Verständnis der Materie lässt mich annehmen, dass dies nicht der Fall war; mindestens die atomaren Konstanten, die er da zitiert, machen vor der Entstehung von Atomen überhaupt keinen Sinn, und bevor wir nicht Dinge wie etwa das Ungleichgewicht von Materie und Antimaterie im Universum verstehen, scheint es mir etwas vermessen, zu behaupten, dies hätte so kommen müssen. Noch vermessener scheint mir diese Annahme bei den Grundkräften, bevor die "theory of everything" nicht entdeckt und bestätigt wurde.
Drittens ist "die erste 100stel Sekunde" nach dem Urknall ein in diesem Zusammenhang sehr weit gefasster Zeitraum, wir bewegen uns da durch die Plank-, GUT-, die inflationäre, Quark-, Grundkräfte-, Hadronen- und Leptonen-Ära. Die "Handbücher" beginnen keinesfalls dort, sondern derzeit bei etwa 5.4 * 10^-44 Sekunden (eine Planck-Zeit nach dem Urknall).
Viertens meint er mit "Masse" im Unterpunkt "Energie und Masse" wohl die Gravitationskraft (Masse spielt erst später eine Rolle). Wie er aber auf die Idee kommt, dass weniger Energie dazu geführt hätte, dass das Universum sich schneller ausdehnte, ist mir schleierhaft. Die inflationäre Ära geschah ja, lapidar ausgedrückt, aufgrund des "Energiedrucks." Tatsächlich spielt für das spätere Ausdehnungsverhalten des Universums seine Topologie, die im Wesentlichen von Masse und Gravitation geformt wird, eine entscheidende Rolle, welche lokalen Auswirkungen dies aber gehabt hätte (lokal im Sinne von Galaxie), scheint mir rein spekulativ.
Fünftens, der Begriff "nukleare Kräfte" ist etwas schwammig, ich nehme hier an, dass er die starke und schwache Wechselwirkung meint. Ich habe dir gerade einen Artikel genannt, der besagt, dass ein Universum ohne die schwache Wechselwirkung von unserem kaum verschieden wäre. Der Unterpunkt "von nuklearen Kräften" fällt damit völlig in sich zusammen.
Sechstens, der Unterpunkt "von Gravitation und Energie durch Kernreaktion" scheint gleichsam vermessen. Zum einen ist davon auszugehen, dass sich bei höherer Gravitation in einem Stern auch mehr Materie angesammelt hätte, so dass mehr Brennstoff vorhanden gewesen wäre. Zum anderen sagt er nicht, woher er die Annahme nimmt, dass schon kleine Schwankungen hier katastrophale Folgen gehabt hätten - immerhin ist ja gut Luft vorhanden; wir sind hier, und die Sonne hat gerade mal die Hälfte ihres Lebenszyklus hinter sich.
So, jetzt zum eigenen Senf:
Keiner der von ihm genannten Punkte, selbst wenn sie fachlich richtig wären, belegt in irgendeiner Weise Feinabstimmung oder die Existenz eines Feinabstimmers, dies ist reine Spekulation. Es ist zwar richtig, dass bei hinreichend anderen universellen Konstanten Universen entstanden wären, die mit unserem kaum vergleichbar sind, ob diese aber unfähig gewesen wären, Bewusstsein zu erzeugen, steht auf einem ganz anderen Blatt, ebenso wie die Frage, wie viele grundsätzlich verschiedene Typen möglich gewesen wären und wie wahrscheinlich jeder von ihnen war.
Selbst wenn man aber annimmt, dass ein Universum, das Bewusstsein erzeugen kann, sehr unwahrscheinlich war, ergibt sich daraus keinesfalls zwingend eine Feinabstimmung. Um mal ebenso ins Blaue zu spekulieren (ich hab doch gesagt, das kann ich auch ), nehmen wir an, die Vielwelteninterpretation der Quantentheorie ist korrekt und die Konstanten standen zum Zeitpunkt des Urknalls noch nicht fest, so könnte der Urknall viele Universen aufgespannt haben, von denen einige derart geformt sind, dass Leben möglich ist - und nur in diesen könnte dieses Leben dann diese ganzen Fragen überhaupt stellen. Ich möchte hier nicht zum Ausdruck bringen, dass ich glaube, dass es so ist - ich weiß schlicht nicht, wie es ist - sondern lediglich zeigen, dass "Feinabstimmung" nicht die einzig denkbare Erklärung ist.
Auch ist "Feinabstimmung" keine wirkliche Erklärung, denn wie, wo, wann und weshalb ist denn der Feinabstimmer überhaupt da? Wurde er auch feinabgestimmt? Es ist ja nicht so, dass das Postulieren eines Feinabstimmers, selbst wenn denn die Fakten darauf hindeuteten, die eigentliche Frage wirklich beantwortete.
Weite Anmerkung, am Anfang war kein "Urfeuerball," denn Feuer ergibt ohne Chemie, die vor der Entstehung der Atome nicht passierte, überhaupt keinen Sinn. Man geht im Moment davon aus, dass es sich um eine Quantensingularität handelte, wobei zukünftige Erkenntnisse dieses Bild mit einiger Wahrscheinlichkeit noch verändern (wahrscheinlich verfeinern) werden.
Am wichtigsten aber: Küng keinesfalls bei der Methode "erst kucken, dann schlussfolgern," denn das, was er verteidigt, ergab sich nicht aus den Fakten; vielmehr wurde es vor mehreren tausend Jahren von Leuten ausgedacht, die von all diesem nicht die geringste Ahnung hatten - er versucht vielmehr, diese alten Ideen in neue Fakten hineinzulesen. Wir sind tief in "erst postulieren, dann verteidigen."
Eine ernstzunehmende Religionswissenschaft kann erst entstehen, wenn ein Phänomen entdeckt wurde, dass man als "Gott" bezeichnen kann, und sie wäre dann ein Teilgebiet der Physik, in keiner Weise vergleichbar mit heutiger Theologie, die eher an Literaturwissenschaft erinnert. -- Einfachheit ist Voraussetzung für Zuverlässigkeit. -- Edsger Wybe Dijkstra Dieser Post wurde am 10.02.2009 um 02:42 Uhr von 0xdeadbeef editiert. |